Verschmierter knallroter Lippenstift, schwarz umrahmte Augen und die kunstvoll zersausten Haare sind bis heute seine Markenzeichen – zumindest auf der Bühne. Der Cure-Frontmann Robert Smith feiert heute seinen 50. Geburtstag.
Am 25. März verlieh das englische Musikmagazin “New Musical Express” in der Londoner Brixton Academy in seiner so unnachahmlich zurückhaltenden Art den “Godlike Genius 2009 Award” an die Band The Cure. Mit dabei war u. a. der Regisseur Tim Burton (“Sleepy Hollow”, “Sweeney Tood”), der sich als großer Cure-Fan outete: “Sie haben mich stets inspiriert. Es ist eine Ehre mit ihnen hier zu sein”, äußerte Burton gegenüber Journalisten und bekräftigte gleichzeitig, dass er gern einmal mit Smith & Co zusammenarbeiten würde.
Tim Burton ist nicht der Einzige, der dem morbiden Charme und der oft so tief melancholischen Musik der britischen Band erlegen ist. Besonders in den 1980er-Jahren trafen The Cure mit ihren düsteren und verzweifelten Songs den Nerv der Zeit. Es war eine Zeit, in der sich große Umbrüche ankündigten, von denen aber noch niemand wissen konnte, wohin sie die Welt – und jeden Einzelnen – führen würden. Keiner Band gelang es, die existenziellen Ängste vieler Menschen so präzise in Musik zu gießen wie The Cure und ihrem unbestrittenen Mastermind Robert Smith.
Zu hässlich
Als Robert Smith am 21. April 1959 in Crawley in der englischen Grafschaft Sussex als drittes von vier Kindern von Alex und Rita Smith geboren wurde, war von der zukünftigen Karriere nichts zu ahnen. Als Kind war Robert zunächst ein “lernbegieriger Schüler mit sehr guten Zensuren”, wie sich ein Lehrer erinnert. Das änderte sich allerdings, als Robert mit elf Jahren seine erste Gitarre bekam. Von da an drehte sich alles um die Musik. 1973 entstand der Cure-Vorgänger The Obelisk. Damals spielte Smith übrigens noch Klavier.
Nach einigen Umbesetzungen wurde 1977 daraus die Band The Easy Cure. Robert Smith, der inzwischen an die Gitarre gewechselt war, musste dann auch noch als Leadsänger ran, nachdem der ursprüngliche Sänger die Band verließ und kein geeigneter Ersatz gefunden wurde. Ende der 70er-Jahre begann Smith, bei den Konzerten geschminkt aufzutreten. “Ich bin von Natur aus sehr blass. Wenn ich auf die Bühne gehe, schminke ich meine Augen schwarz und nehme Lippenstift – das ist ein theatralisches Mittel. Ich mache das doch nicht, wenn ich einkaufen gehe. Auf die Bühne gehe ich allerdings nicht ohne die Schminke, ich finde mich sonst einfach zu hässlich.”
Ein einziges Missverständnis
Der auffällige Look des Frontmannes wurde zum Markenzeichen von The Cure – und zum fortwährenden Ärgernis für Robert Smith, denn von den Medien wurde The Cure fortan in die Gothic-Ecke gesteckt. “Als wir anfingen, gab’s diesen Gothic-Stil noch gar nicht”, wetterte Smith in einem Interview. „Die Medien haben uns dieses Image angedichtet. Es gibt aus unserer Frühzeit kein einziges Foto oder Video, auf dem wir so jämmerlich wie eine Gothic-Band aussehen. Wir haben uns nie zu dieser Szene dazugehörig gefühlt. Als wir begannen, kamen wir aus der Postpunk-Bewegung. Aber Gothic? Das war immer ein Missverständnis.“
Den Fans war es herzlich egal, und so versammelten sich bei den Cure-Konzerten die schwarz-gewandeten Gothic-Jünger mit ihren hochtoupierten Haaren ebenso wie Punks und ganz “normale” Musikfans. Und es wurden immer mehr. Nachdem das erste Album “Three Imaginary Boys” 1979 kaum Beachtung fand und auch Smith es als “ziemlich oberflächlich” bezeichnete, gelang mit dem zweiten Album “Seventeen Seconds” und der Single “A Forest” 1980 der Einstieg in die Charts. Nachfolger wie “Pornography” oder “The Top” festigten den kommerziellen Erfolg und machten die Band über die Grenzen Großbritanniens bekannt.
Mit dem opulenten Doppelalbum “Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me” gelang The Cure 1987 auch der Durchbruch in den USA. Dass ausgerechnet das 1989 erschienene Album “Disintegration” mit seinen albtraumhaften, surrealen und verzweifelten Songs zum erfolgreichsten Album werden sollte, zeigt im Nachhinein, wie genau The Cure die allgegenwärtige Atmosphäre einer Welt am Abgrund erspürten. Das bedrohliche und ausweglos wirkende “Lullaby” ist bis heute ein unübertroffenes Glanzstück, in dem Smith seine nicht zu bändigende Urangst vor Spinnen gestaltete.
Die einstige Indie-Band war zum Mainstream-Kassenschlager geworden, obwohl – oder gerade weil – die Songs immer komplexer geworden waren und die düsteren Stimmungen weiterhin dominierten. Und Robert Smith war zum Superstar aufgestiegen. “Meistens lache ich über die Schmeicheleien, weil ich weiß, wer ich wirklich bin. Aber viele Leute wollen glauben, dass es etwas Magisches gibt. Nur: Sich zu verkleiden und zur Schau zu stellen, ist eigentlich ziemlich profan.”
Bis heute überlebt
In den 1990er-Jahren trat Robert Smith des Öfteren auf die Bremse. Mal verkündete er, dass The Cure am Ende seien, dann, dass er lieber ein Solo-Album veröffentlichen würde. Nur zwei CDs erschienen in diesem Jahrzehnt, wobei das 1996 veröffentlichte Album “Wild Mood Swings” einen künstlerisch lauen und lustlosen Eindruck hinterließ und fast folgerichtig auch in kommerzieller Hinsicht einen Misserfolg bedeutete.
Es dauerte fast vier Jahre, bis The Cure mit dem Grammy-nominierten Album “Bloodflowers” im neuen Jahrtausend wieder an frühere Glanzzeiten anknüpfen konnten. Im Vorjahr erschien das bislang letzte Album von Robert Smith & Co. Wie es in der Zukunft weitergehen soll, darüber hält sich der Engländer eher im Nebulösen. Allerdings steht für Smith fest, dass die Band niemals zu einer Revival-Band verkommen wird. Wenn es weiter gehen sollte, dann auf jedem Fall mit neuem Material. “Der Grund, warum wir überlebt haben, ist ganz einfach: die Leute mögen unsere Songs. Wenn sie die nicht mehr gut fänden, könnte ich ein Interview nach dem anderen geben, alle möglichen Aktionen machen, es würde nichts helfen. Die Songs sind einfach gut – das ist es.”
21.04.2009
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