Der wabernde Keyboardsound erinnert zwar entfernt an den orchestralen Bombast von Vangelis (“Chariots of Fire”), aber dann schält sich in „Plainsong“ vehement und unaufhörlich die Melancholie heraus.
Von Heroik keine Spur, hier wird gelitten: Dunkel, windig und kalt ist die Welt in dem Song “Plainsong”, mit dem das Cure-Album “Disintegration” (1989), das gerade als 3 CD Set neu aufgelegt wurde, beginnt.
Ein unaufhörlich sich träge dahinwälzender Mahlstrom der Melancholie, der Cures achtes Studioalbum zu einem düsteren Meisterwerk der Schwermut macht. Robert Smith, der zur damaligen Zeit eine schwer depressive und durch Drogen entfremdete Phase durchmachte, hat dem Album seinen dunklen Stempel aufgedrückt.
Diese schwermütige Grundstimmung traf, allen Befürchtungen der Plattenfirma zum Trotz, ganz offenbar den Nerv der Zeit. Über 3 Millionen Mal verkaufte sich “Disintegration” und mit “Lullaby”, “Fascination Street”, “Lovesong” und “Pictures of You” sprangen zudem vier poppigere Hitsingles heraus, die leichter zugänglich waren in diesem Meer der Tristesse.
Bei der Deluxe-Ausgabe von „Disintegration“ dürfte neben dem remasterten Original und dem Live-Album „Entreat Plus“ vor allem die CD mit Raritäten (1988-1989) für Cure-Fans von Interesse sein, die hier eine geballte Ladung Songs in ihrer Instrumentalversion finden – alles zusammengestellt und überwacht von Robert Smith.
Beinahe hätte “Disintegration” tatsächlich ein Instrumental-Album werden können, wenn Robert Smith nicht seine Texte gerettet hätte, die bei einem Feuer in seinem Zimmer beinahe verbrannt wären. Mit nassen Handtüchern um Kopf und Schultern stürzte er sich unter Todesgefahr in den brennenden und verrauchten Raum. Danach war er ziemlich krank, seine düsteren Texte aber voller Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung waren sicher.
02.06.2010
© Focus